Steuerentlastung bei Pflege und Behinderung: Was Angehörige wissen sollten

Haben Sie schon an Ihre Steuererklärung gedacht? Die meisten Menschen schieben das Thema Steuern vor sich her und zugegeben, so wirklich Freude macht es in der Regel nicht, sich mit Steuerfragen zu beschäftigen. Wenn Sie einen Angehörigen pflegen, tun Sie allerdings gut daran, sich dem Thema Steuern zuzuwenden - und dies möglichst frühzeitig im Jahr. Warum das so ist und worauf es ankommt, erklärt Nadège Dupont, Steuerberaterin in Düsseldorf und Beraterin für famPLUS.

Welche steuerlichen Vorteile gibt es für pflegende Angehörige?

Pflegende Angehörige können verschiedene Pflegekosten als außergewöhnliche Belastungen bei der Steuererklärung angeben. "Das Thema Steuern ist ein sehr breit gefächertes Thema und muss immer im Einzelfall betrachtet werden", sagt Steuerberaterin Nadège Dupont.

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: als Einzelnachweis im Rahmen der sogenannten außergewöhnlichen Belastung oder als Pauschale, den sogenannten Pflegepauschbetrag. Beides sind Steuervergünstigungen, das heißt: "Der Betrag wird vom Gesamtbetrag der Einkünfte des Steuerpflichtigen abgezogen. Dadurch reduziert sich entsprechend das zu versteuernde Einkommen und die Steuerlast", erklärt Dupont.

Welche Voraussetzungen gelten, um den Pflegepauschbetrag nutzen zu können?

Es gelten bestimmte Voraussetzungen, damit Angehörige den Pflegepauschbetrag nutzen können. "Die Pflege muss grundsätzlich unentgeltlich, persönlich und im häuslichen Umfeld erfolgen. Der Pflegepauschbetrag kann unter bestimmten Bedingungen auch bei der Pflege im Pflegeheim genutzt werden", erläutert Nadège Dupont. Den Pauschbetrag können pflegende Angehörige nutzen, insofern sie kein Geld für die Pflege erhalten. Die Pflege kann im eigenen Zuhause oder im Zuhause des Pflegebedürftigen erfolgen. "Grundsätzlich können den Pauschbetrag Familienmitglieder nutzen", sagt die Expertin. Aber falls eine nahe Beziehung und Pflegetätigkeit beispielsweise unter Freunden oder langjährigen Nachbarn bestehe, so könne der Pflegepauschbetrag unter Umständen ebenso gewährt werden.

Eine weitere Voraussetzung: Die pflegebedürftige Person hat einen Pflegegrad 2 oder höher. Die Pflegebedürftigkeit muss also von der Pflegekasse anerkannt sein. Bei einer Behinderung muss mindestens ein Grad von 20 festgestellt sein, damit der Pauschbetrag genutzt werden kann.

Wie hoch ist der Pflegepauschbetrag?

Die Höhe des Pauschbetrags hängt vom Grad der Behinderung beziehungsweise vom Pflegegrad der Person ab. Folgende Pflegepauschbeträge gelten:

- Bei Pflegegrad 2: 600 Euro
- Bei Pflegegrad 3: 1100 Euro
- Bei Pflegegrad 4 oder 5: 1800 Euro

Bei einem Grad der Behinderung von 20 wird ein Pauschbetrag von 384 Euro gewährt. Der Pauschbetrag steigt je zehn Punkt an, bis zu 2840 Euro bei 100 Prozent. Hier finden Sie eine Übersicht.

Der Pflegepauschbetrag ist ein Jahresbetrag. Er kann selbst dann in vollem Umfang genutzt werden, falls die Pflege erst im Dezember begonnen wurde. Tipp der Steuerberaterin: Wer zwei Personen pflegt, etwa Mutter und Vater kann den Pflegepauschbetrag doppelt beantragen.

Wie wird der Pflegepauschbetrag beantragt?

Wichtig zu wissen: Der Pflegepauschbetrag wird nicht automatisch gewährt. "Pflegende Angehörige müssen den Pflegepauschbetrag in ihrer Steuererklärung angeben und zwar in der Anlage zu den außergewöhnlichen Belastungen", erklärt die Steuerberaterin. Name, Geburtsdatum, Anschrift, steuerliche Identifikationsnummer und Verwandtschaftsgrad der pflegebedürftigen Person müssen angegeben werden.

Zudem sollten dort alle notwendigen Unterlagen erfasst werden:

- eine Bescheinigung über den Pflegegrad
- Schwerbehindertenausweis

Tipp von der Steuerexpertin: Wenn sich der Pflegegrad oder Grad der Schwerbehinderung unter dem Jahr verändert, unbedingt den höheren Grad angeben. "Der höhere Grad gilt für das gesamte Jahr", sagt Dupont.

Können auch mehrere Personen den Pflegepauschbetrag nutzen?

Grundsätzlich ist der Pflegepauschbetrag auf eine Person bezogen und wird von der Hauptpflegeperson genutzt. Wenn sich mehrere Angehörige die Pflege und Betreuung aufteilen, kann der Pauschbetrag auch von mehreren beantragt werden. Dann muss der Betrag jedoch aufgeteilt werden. Beispiel: Bei Pflegegrad 4 können die 1800 Euro Pflegepauschbetrag von einem Angehörigen voll angegeben werden.

Wenn zwei Angehörige pflegen, kann jeder 900 Euro nutzen. Pflegen drei Angehörige, wird der Betrag von 1800 Euro durch drei geteilt werden, das heißt: jede Person kann 600 Euro Pflegepauschbetrag nutzen. "In der Steuererklärung muss das entsprechend angegeben und erklärt werden", sagt Expertin Dupont.

Nadège Dupont empfiehlt, sich immer die individuelle Situation anzuschauen und abzusprechen, ob und wie der Pflegepauschbetrag aufzuteilen ist. "Hier kann eine Steuerberatung hilfreich sein, um die beste Option für Steuerentlastungen zu finden", sagt Dupont.

Welche Pflegekosten zählen als außergewöhnliche Belastungen?

Sind die Pflegekosten höher als der Pauschbetrag, kann es sich lohnen, diese einzeln in der Steuererklärung anzugeben. Zu den Pflegekosten zählen:

- Pflege durch ambulante Dienste
- Pflegehilfsmittel, zum Beispiel Inkontinenz-Einlagen, Pflegebett, Einmalhandschuhe
- Fahrtkosten zur Pflege
- Umbauten im Haus oder in der Wohnung, etwa ein barrierefreies Bad (nur, falls die Kosten nicht von der Pflegekasse übernommen wurden) 

Wichtig: Alles muss mit Rechnungen belegt und einzeln aufgeführt werden - und zwar bei den außergewöhnlichen Belastungen. Von diesen wird eine sogenannte zumutbare Eigenbelastung abgezogen, die sich steuerlich nicht auswirkt. Die Kosten werden somit um einen bestimmten Anteil gekürzt.

Pflegekosten als haushaltsnahe Dienstleistungen - was gilt?

Bestimmte Pflegekosten zählen nicht zu den außergewöhnlichen Belastungen, da sie ursächlich nicht durch die Pflege verursacht sind. Beispiel: "Wird eine Haushaltshilfe in Anspruch genommen, ohne dass eine Krankheit oder Pflegebedürftigkeit vorliegt, bei der sogenannten altersbedingten Pflege, gilt dies nicht als außergewöhnliche Belastung", erläutert Nadège Dupont. Solche Pflegekosten können aber dennoch in der Steuererklärung angegeben und von der Steuer abgesetzt werden - und zwar als haushaltsnahe Dienstleistungen. Dazu zählen:

- Haushaltshilfe (auch vom Pflegedienst)
- Alltags-Assistenz
- Hausnotrufsystem

Allerdings gilt: Bei der Einkommensteuer werden nicht die gesamten Kosten, sondern nur 20 Prozent angerechnet. Zudem gilt pro Jahr ein Höchstbetrag von 4000 Euro. "Es ist wichtig, dass eine Rechnung vorliegt. Die Kosten sollten unbar bezahlt werden, also überwiesen werden", erklärt die Expertin. Die Rechnungen werden nicht mit der Steuererklärung eingereicht. Bewahren Sie sie aber auf, um sie bei Rückfragen nachweisen zu können.

Können auch Kosten für das Pflegeheim von der Steuer abgesetzt werden? 

"Wenn die Pflege im Heim aus Gründen der Pflegebedürftigkeit oder Krankheit notwendig ist, können auch die Pflegeheimkosten steuerlich berücksichtigt werden", sagt Steuerberaterin Dupont. Die Kosten werden jedoch nicht in vollem Umfang übernommen, sondern die Höhe wird individuell berechnet. "Die Höhe bemisst sich am Einkommen des pflegenden Angehörigen und der Anzahl der Kinder, nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung", erklärt die Expertin. Sie müssen dies nicht selbst berechnen, sondern dieser wird bei der Erstellung der Steuererklärung entsprechend berechnet. Tipp der Steuerberaterin: Mit einer Steuer-Software kann man schon mal berechnen, wie hoch die Pflegeheimkosten sind, die man absetzen kann.

Welche Fehler sollten pflegende Angehörige vermeiden?

Zugegeben, es ist nicht ganz einfach, sich mit dem Thema Steuern zu beschäftigen. "Ich kann pflegende Angehörigen nur ermutigen, sich zu informieren und eine Beratung zu nutzen", sagt Steuerexpertin Nadège Dupont.

Ein häufiger Fehler sei es, wenn pflegende Angehörige den Pauschbetrag nicht anwenden oder erst gar keine Steuererklärung machen - und damit quasi Geld verschenken. Beratung finden Sie beim Steuerberater oder Lohnsteuerhilfeverein. Auch digitale Steuertools können einen ersten Einblick ermöglichen. "Ideal ist eine Beratung frühzeitig im Jahr, weil Sie dann die steuerliche Entlastung noch optimieren können", erklärt Dupont. Beispiel: Ein Umbau ist geplant. Die Kosten übersteigen die Höhe der anzurechnenden Kosten. Es kann dann steuerlich günstiger werden, den Umbau in zwei Abschnitte zu teilen, sodass der Maximalbetrag nicht überschritten wird.

Tipp der Steuerberaterin: Alles, was im Jahr passiert, was in irgendeiner Form mit Pflege passiert, aufbewahren und Ende des Jahres entscheiden, ob die Pflegekosten als Pauschbetrag oder Einzelleistungen genutzt werden.


Quellen:

https://www.gesetze-im-internet.de/estg/__33b.html

https://familienportal.de/familienportal/familienleistungen/steuerentlastungen/wie-kann-man-die-pflege-von-angehoerigen-bei-der-steuer-absetzen--125218

https://familienportal.de/familienportal/familienleistungen/steuerentlastungen/kann-ich-fuer-haushaltsnahe-dienstleistungen-eine-steuerermaessigung-erhalten--125184

https://familienportal.de/familienportal/familienleistungen/steuerentlastungen/welche-steuerentlastungen-gibt-es-wenn-mein-kind-oder-ich-eine-behinderung-haben--148372

https://bvkm.de/ratgeber/steuermerkblatt/

 

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